Die Selbstoffenbarungsebene nach Schulz von Thun: was sie bedeutet

Machst du dir Gedanken darüber, was du so den lieben langen Tag über dich preisgibst mit deinen Aussagen? Wohl eher nicht, denn das wäre sehr anstrengend. Dennoch macht es Sinn, sich die Ebene der Selbstoffenbarung mal genauer anzuschauen.

Um was geht es bei der Selbstoffenbarungsebene der Kommunikation?

Das Vier-Seiten-Modell von Schulz von Thun besagt, dass jede Aussage vier Seiten hat, die mitgesendet werden. Darauf bin ich bereits in den letzten Artikeln eingegangen. Dieser Blogartikel ist der Selbstoffenbarungsebene der Nachricht gewidmet.

Die anderen drei Ebenen lauten:

Sachebene

Appellebene

Beziehungsebene

Der Prozess der Selbstoffenbarung läuft größtenteils unbewusst ab. Ich kann mich aber auch ganz bewusst entscheiden, was ich über mich selbst aussagen will. Das machen wir beispielsweise, wenn wir in Bewerbungssituationen, in von uns vorbereiteten Konfliktgesprächen oder in Mitarbeitergesprächen sind und uns vorher darauf vorbereitet haben. Doch das können wir bewusst nur für eine bestimmte Zeit steuern.

Ich möchte dich hier sensibilisieren für das, was dahinter stecken könnte, wenn bestimmte sprachliche Muster auftauchen. Die Ausführungen sind Zusammenfassungen zu den Erklärungen aus dem Buch „Miteinander reden 1: Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation“ von Schulz von Thun. Den Inhalt kombiniere ich mit meinem eigenen Wissen und meinen Erfahrungen. Psychologisches vereinfache ich, ohne dabei in die Tiefe zu gehen. Dabei kannst du einerseits mal schauen, ob das eine oder andere auf dich zutrifft, andererseits fallen dir beim Lesen vielleicht auch Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen aus deinem Team ein, auf die das zutrifft.

Selbstoffenbarungsangst

Bei vielen Menschen beeinflusst eine Selbstoffenbarungsangst ihre Art der Selbstkundgabe, also ihre Art zu sprechen. Dabei geht es gar nicht nur darum, dass wir bewusst über uns sprechen und zum Beispiel über unsere Hobbys. Auch wie wir generell sprechen und welche Worte wir beispielsweise wählen, sagt etwas über uns aus. Diese Angst sich selbst zu zeigen, kann schon im Kindesalter entstehen. Als Kinder orientieren wir uns an den Reaktionen aus unserer Umwelt. Diese Reaktionen kommen dann in der Regel von unseren Eltern, älteren Geschwistern oder auch von den Lehrern.

  • Was finden andere gut?
  • Was sagen die Eltern, darf man nicht?
  • Was ist liebenswert, was nicht?

Bestimmte Bestandteile der eigenen Persönlichkeit werden unterdrückt, wenn sie auf negative Reaktionen stoßen. Bei einem ausgeprägten Minderwertigkeitsgefühl kann es dazu kommen, dass andere als „strenge Richter“ betrachtet werden, vor denen man sich nicht negativ zeigen darf. Das kann sich in unterschiedlichen Formen äußern. Einige Formen schauen wir uns nun mal genauer an!

Selbstoffenbarungsebene: Selbstdarstellung und Selbstverbergung

Es gibt verschiedene Techniken für die Selbstdarstellung oder Selbstverbergung. Im Folgenden gehe ich  auf Imponiergehabe, Fassadentechniken und die demonstrative Selbstverkleinerung ein.

Diese Techniken verwenden wir nur zum Teil bewusst. Sind wir uns darüber im Klaren, können wir unser Verhalten ändern und gegebenenfalls der Situation entsprechend anpassen.

So kann ich mich als Führungskraft bewusst „verkleinern“, wenn es gerade sinnvoll ist, da ich nicht raushängen will, dass ich bestimmte Rechte habe als Manager. Oder auch als Bewerber oder Bewerberin kann ich in einem Bewerbungsinterview ganz gezielt mit Inhalt und Sprache dem Gegenüber imponieren.

Viele Personaler und Führungskräfte sind geschult, darauf zu achten, wie ihr Gegenüber sich verhält.  Da wird auf die Körpersprache genauso geschaut wie auf die Sprache. Sagt der Kandidat oder die Kandidatin immer wieder „man“ und selten „ich“? Oder wird die ganze Zeit nur davon erzählt, wie toll man ist und was man alles erreicht hat (nicht unüblich für diese Situation)?

Die Selbstoffenbarungsebene: 1. Imponiergehabe

Imponieren kannst du einerseits über die Körpersprache, indem du dich groß machst. Das heißt, Brust raus, Bauch rein, Schultern gerade, Kopf hoch, Raum einnehmen mit den Händen beim Reden. All diese Dinge sprechen eher für ein selbstbewusstes Auftreten.

Andererseits kannst du auch durch den Inhalt (Haus, Auto, Pferd) und die Wortwahl (Fremdwörter) sprachlich imponieren. Begriffe wie „flanieren“ statt „spazieren“, „entkleiden“ statt „ausziehen“ gehören ebenfalls dazu. Oder auch „verbal“ statt „sprachlich“, „inkludiert“ statt „beinhaltet“ „multi-kausal“ statt „mehrere Ursachen“. Die Liste können wir jetzt noch ewig verlängern ;).

Das Ziel beim Imponiergehabe ist, die eigene „Schokoladenseite“  zu zeigen und den Fokus nicht auf die schlechten Eigenschaften zu lenken.  Wir wollen schlau wirken, selbstbewusst, weltgewandt oder ähnliches. Oft machen wir das auch besonders dann, wenn wir denken, dass das nicht stimmt und wir uns beweisen müssen. So gehen wir vielleicht zu einem Meeting mit Kollegen, von denen wir denken, sie wissen mehr als wir selbst. Also wollen wir diese beeindrucken und werfen mit Fachwörtern und langen Schachtelsätzen um uns.  Problematisch wird es, wenn das Imponiergehabe dauerhaft die Offenheit und Echtheit in Beziehungen beeinträchtigt.

Die Selbstoffenbarungsebene: 2. Fassadentechniken

Diese Technik dient dem Verstecken der Dinge, die wir an uns selbst nicht gut finden. Daraus folgt, dass nur Dinge gesagt werden, von denen man denkt, sie werden in der Gesellschaft anerkannt. So wird unser Selbstwertgefühl nicht bedroht. Es kann aber auch dazu führen, dass man gar nichts sagt. Hier spielt wieder die Selbstoffenbarungsangst eine Rolle.

Wir sind uns dieser Angst oft nicht bewusst, da wir sie durch die Selbstverbergungstechniken gar nicht erst aufkommen lassen. Wenn wir nicht im Mittelpunkt stehen wollen, zeigen wir wenig Gestik und Mimik. Ausladenge Gestik ist und dann meistens fremd. Bei anderen finden wir sie vielleicht sogar befremdlich.

Menschen, die sich lieber verstecken, zeigen auch ihre  Gefühle nicht gern. Zum Teil kennen sie ihre Gefühle auch nicht, können sie nicht spüren, da sie den Zugang zu ihnen verloren haben.

Besonders den Männern (in unserem Kulturkreis) wird meist schon in der Kindheit suggeriert, dass Gefühle zu zeigen als Schwäche in der Gesellschaft angesehen wird. So lernen sie, ihre Emotionen zu unterdrücken und nicht darüber zu sprechen und sie somit auch nicht zu zeigen. Das kann zur Folge haben, dass bestimmte Gefühle nicht mehr als solche wahrgenommen werden. Gleiches kann selbstverständlich auch für Frauen gelten.

Wie schaffe ich die Selbstverbergung sprachlich, wenn ich mich dazu entscheide, etwas zu sagen?

Tendenziell wird eher auf der Sachebene im abgeklärten Tonfall gesprochen. Wenn ich nicht viel von mir selbst und meiner Meinung/meinen Gefühlen preisgeben möchte, kann ich Entpersonalisierungen nutzen wie  „man“, „wir“, „es“  oder auch „Du-Botschaften“.

Die Selbstoffenbarungsebene: 3. Demonstrative Selbstverkleinerung

Im Gegensatz zum Imponiergehabe stellen sich hier Menschen als klein, schwächlich und unfähig hin.

Die Selbstkundgabe „ich kann das nicht“ ist auf der anderen Seite auch als Appell zu verstehen: „widerspreche mir“ oder auch „mach du, ich kann das nicht.“

Dies kann taktisch als „fishing for compliments“ gemeint sein oder auch, um bestimmte Dinge nicht selbst tun zu müssen.

Meist geschieht dies aber unbewusst und beginnt schon im Kindesalter.

Gehen wir als Empfänger auf die Appellseite ein und helfen und übernehmen die Aufgaben, kann es dazu führen, dass der andere sich erst recht immer schwach und abhängig fühlt. Positiv für den Empfänger ist dabei das Gefühl, der Stärkere und Überlegene zu sein.

Auswirkungen der Selbstdarstellungstechniken

Sind wir immer nur darauf bedacht, was wir über uns selbst aussagen, kostet es uns viel Energie und nimmt uns unsere Authentizität, also unsere Echtheit.

Wenn die Beteiligten sich nicht trauen, ihre Meinung zu sagen und nur darüber nachdenken, wie sie sich optimal selbst darstellen, wird die Sachebene darunter leiden.

Der Empfänger hört gegebenenfalls nur halbherzig zu, da er sich bereits Gedanken darüber macht, wie er besonders gekonnt und schlau antworten kann.

Fokussierst du das eigene Positive und versteckst das vermeintlich Negative, entsteht eine Barriere. Schließlich haben wir alle Schwächen.

Statt uns immer nur gegenseitig beweisen zu wollen, wie toll wir sind, könnten wir auch gemeinsam erkennen, dass es nur menschlich und normal ist, dass wir auch Probleme und Schwächen haben.

Es kann auch soweit führen, dass unsere seelische Gesundheit dabei in Gefahr gerät, wenn wir uns anders geben als wir sind oder uns gerade fühlen.

Dadurch entsteht eine dauernde innere Anspannung, die zu verschiedenen gesundheitlichen Problemen führen kann.

Tipps zur Selbstoffenbarungsebene

Wie bereits erwähnt, ist die Sensibilisierung der erste Schritt. Versuche authentisch zu sein, also deinen Zielen und Werten zu entsprechen.

Eine offene Selbstkundgabe über Gefühle und Gedanken führt dazu, dass auch der Zuhörer nicht auf der Hut sein muss. Er kann besser und intensiver zuhören und muss sich weniger Gedanken über die Formulierung seiner Antwort machen.

Durch das aktive Zuhören fühlt sich der Sender eher verstanden. Durch dieses Gefühl des Verstandenwerdens bringt er dem Gegenüber gleichermaßen mehr Wertschätzung auf der Beziehungsseite entgegen. Das führt dazu, dass sich auch der Zuhörer akzeptiert fühlt.

So entsteht ein positiver Kreislauf, in dem sich alle Beteiligten  wertgeschätzt fühlen. Das ist auch das Ziel der gewaltfreien Kommunikation ;). Zu dem Thema findest du auf meiner Webseite etliche Beiträge.

Achte darauf, für die konkrete Selbstaussage eher  „ich“ statt  „wir“ oder „man“ zu benutzen.

Übe,  deine Interpretationen und Gefühle bewusst wahrzunehmen. Dabei hilft es, Bewertungen zu vermeiden, denn Beobachtungen sind neutraler.

Die gewaltfreie Kommunikation kann dir dabei helfen. Seminare dazu biete ich in Berlin, über Zoom oder auch direkt bei dir im Unternehmen an. Auch mein Buch kombiniert das Modell von Schulz von Thun mit der gewaltfreien Kommunikation ;).

Alles Liebe

deine Susanne

Lust auf mehr?

Das Vier-Seiten-Modell 

Vier-Ohren- Modell von Schulz von Thun

Sachseite des Vier-Seiten-Modells
Appell-Seite des Vier-Seiten-Modells

Beziehungsseite des Vier-Seiten-Modells

Grundannahmen der gewaltfreien Kommunikation

Gewaltfreie Kommunikation.

Kritik wertschätzend äußern

Vorwürfen souverän begegnen

Seminare im Überblick

Buch Schulz von Thun Miteinander reden

Hier kannst du dir den Blogartikel auch anhören

Susanne Lorenz
Susanne Lorenz

Ich habe mich als Kommunikationstrainerin, Buchautorin und Business Coach auf Führungskräfte spezialisiert, nachdem ich im Anschluss an mein Germanistikstudium selbst mehrere Jahre als Managerin Erfahrungen gesammelt habe. Gewaltfreie Kommunikation ist meine Leidenschaft. Meine Vision ist, dass Menschen am Arbeitsplatz mehr miteinander statt übereinander reden und konstruktiv ansprechen, was sie stört.

Mit meinen Coachings und Trainings erhöhe ich die Transparenz und Wertschätzung in Unternehmen. Mein Blog www.wirksam-kommunizieren.de dreht sich um erfolgreiche Kommunikation im Berufsalltag.

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